Innere Antreiber

Situationen und Lebensphasen, die sehr anspruchsvoll und mit einem hohen Stresspegel verbunden sind, gibt es in jeder Biografie und vielleicht steckst du gerade mittendrin.

Im Coaching – wenn es um Stress geht – spielen die inneren Antreiber oft eine sehr grosse Rolle. Doch bevor ich das näher erläutere, möchte ich kurz differenzieren. Die Ursachen für Stress lassen sich grob in externe und interne Faktoren unterteilen:

Externe Ursachen für Stress sind beispielsweise:

  • Job: Konflikte, Druck, schlechte Führung, hohe Arbeitsbelastung, Reorganisationen
  • Beziehung: Konflikte, Trennung, Umzug, fehlende soziale Unterstützung
  • Emotionale Belastungen: Erkrankung, Unfall, Todesfall von Angehörigen oder im Freundeskreis
  • Gesundheitlich: Erkrankung, gesundheitliche Einschränkungen und Krisen
  • Umwelt: Lärm, Weltgeschehen, Wohnbedingungen

Interne Faktoren, die dich unter Stress setzen können:

  • Perfektionismus und hohe Selbstansprüche
  • Negative Denkmuster, Katastrophisieren, Pessimismus
  • Fehlende Bewältigungsstrategien und Selbstregulation
  • Geringes Selbstwertgefühl oder Sebstzweifel
  • Mangel an Erholung und fehlende Regerationsfähigkeit

Beim internen Stress sind sehr oft einzelne oder mehrere innere Antreiber in Kombination beteiligt. Sie setzen dich unter Druck, verusachen innere Konflikte, worauf du gereizt, wütend, unfreundlich oder fehleranfällig wirst, was wiederum Auswirkungen auf dein Umfeld hat.

Antreiber können je nach Ausprägung eine unterschiedliche Wirkung auf dich haben:

🥁 Sie energetisieren dich und bringen dich in Schwung oder

🪫 sie versetzen dich in Stress und schaden auf Dauer deiner Gesundheit

In seltenen Fällen durfte ich auch schon Coachees begleiten, deren inneren Antreiber (und auch die anderen internen Stressfaktoren!) sehr wenig ausgeprägt sind. Man erkennt sie bereits daran, dass sie eine bewundernswerte „innere Gelassenheit“ ausstrahlen. Selbst wenn um sie herum die Hölle los ist, gehen sie weitgehend völlig tiefenentspannt durch’s Leben. Ich selbst gehöre nicht dazu 😉

Was sind Antreiber?

Das Konzept der inneren Antreiber stammt aus der Transaktionsanalyse (abgekürzt TA), eine psychologische Theorie und Methode, welche in den 50er Jahren von Erik Berne entwickelt wurde. Sie untersucht, wie Menschen kommunizieren und sich verhalten, und sie hilft dabei, die Interaktionen zwischen Individuen besser zu verstehen und zu verbessern. Interessant dabei ist, dass man sie auch für die interne, also die Kommunikation und Interaktion mit sich selbst, anwenden kann.

Ein Vorteil dieses Konzepts ist, dass man es leicht erklären kann und es sehr viel Informationen und Literatur darüber gibt.

Antreiber sind als Gebote zu verstehen (das Pendant in der TA sind die Einschärfungen, also Verbote – diesen werde ich ein andermal einen eigenen Blogartikel widmen).

Die 5 Antreiber

  1. Sei perfekt: Der innere Druck, alles fehlerfrei und makellos zu machen.
  2. Mach es allen recht: Der Drang, von anderen gemocht und akzeptiert zu werden.
  3. Streng dich an: Der Zwang, sich immer stark anzustrengen und hart zu arbeiten.
  4. Beeil dich: Die ständige Dringlichkeit, Dinge schnell zu erledigen.
  5. Sei stark: Die Überzeugung, keine Schwäche zeigen zu dürfen und immer stark sein zu müssen.

Ursprung und Auswirkungen

In der Transaktionsanalyse bezieht sich der Begriff „Antreiber“ auf unbewusste, tief verwurzelte Botschaften und Überzeugungen, die unser Verhalten stark beeinflussen können. Diese Antreiber entstehen in der Kindheit einerseits durch die Kommunikation und das Verhalten von Bezugspersonen, anderseits durch unsere eigene kindliche Schlussfolgerung. Diese entspricht jedoch nicht immer dem, was unsere Bezugspersonen tatsächlich ausgedrückt haben oder beabsichtigten, was wiederum bedeutet, dass wir unseren Eltern keine Schuld oder Verantwortung für unser Getriebensein zuschreiben können.

Antreiber sind wie innere Stimmen, die uns Anweisungen geben, uns auf bestimmte Weise zu verhalten, um Anerkennung und Liebe zu bekommen oder Ablehnung zu vermeiden.

Hier ein paar Beispiele, wie Antreiber entstehen können und welche Auswirkungen sie auf die Führungsarbeit haben können. Vielleicht kommt dir der eine odere andere Satz bekannt vor:

Sei perfekt!

Ursprung

Der in unserem Kulturkreis am weitesten verbreiterte Antreiber ist der Perfektionismus. Kein Wunder, wurden wir doch bereits in der Schule mit einem Defizit-orientierten Ansatz geprägt: Fehler hatten oft schlimme Konsquenzen, nur 100% zählen und „gut“ ist nicht „sehr gut“. Eltern, Lehrer oder andere Bezugspersonen, die oft auf Fehler hinweisen, ohne die Erfolge des Kindes zu würdigen, können dieses Gefühl fördern. Nahestehende Personen, die sich in Anwesenheit von Kindern ständig selber abwerten, wenn ihnen etwas nicht gelingt, können zur Schlussfolgerung „Ich bin nur liebenswert, wenn ich alles 100% richtig mache“ führen. Ein häufiger Nebeneffekt von diesem Antreiber ist die Prokrastination, also Aufschieberitis. Das liegt daran, dass sich Perfektionisten aufgrund fehlendem Selbstwertgefühl oft schwer tun, Dinge anzugehen, aus Angst, diese nicht richtig gut zu machen oder am Ende schlecht bewertet zu werden.

Auswirkung

Vorgesetzte mit einem starken „Sei perfekt“-Antreiber erwarten nicht nur hohe, sondern perfekte Qualität und können sehr schlecht mit Fehlern umgehen. Sie selbst haben oft kein gutes Kosten-Zeit-Nutzen-Verhältnis, verhalten sich gegenüber ihren Mitarbeitenden sehr pedantisch und setzen sie damit stark unter Druck. Mitarbeitende können unter Druck und Angst ihr Potential nicht ausschöpfen, verlieren ihre Motivation und damit ihre Leistungsfähigkeit und haben ein höheres Risiko, auszufallen.

Mach es allen recht!

Ursprung

Dieser Antrieb kann sich entwickeln, wenn ein Kind oft dafür gelobt wird, wenn es sich anpasst, sich unauffällig im Hintergrund hält und wenn es gelernt hat, dass die Bedürfnisse aller anderen vorgehen. Wenn besonders „braves“ Verhalten oder ganz besondere Hilfsbereitschaft als Schlüssel zu Aufmerksamkeit und Wertschätzung führt, kann das Abgrenzen und Äussern von eigenen Bedürfnissen eine schwierige Übung werden.

Auswirkung

Vorgesetzte mit einem starken „Mach es allen recht“-Antreiber sind gar nicht mal so selten, sie gelangen aufgrund ihrer sozialer Anerkennung und Liebenswertigkeit in die Teamleiterrolle. Sie haben oft Probleme, klare Rahmenbedingungen zu kommunizieren, sich durchzusetzen, Konflikte zu lösen oder sie nehmen ihren Mitarbeitenden die Arbeit ab, weil sie Schwierigkeiten mit dem Delegieren haben. Mitarbeitende mit so eine(m/r) Vorgesetzen fühlen sich dann nicht richtig geführt oder nutzen das fehlende Standing durch manipulative Spiele aus.

Streng dich an!

Ursprung

Eltern, die ständige Anstrengung und harte Arbeit schätzen und belohnen, fördern diesen Antreiber. Ein Erfolg, das ein Kind scheinbar mühelos erreicht hat, zählt dann nicht. Denn Leistung ist schliesslich nur mit viel Aufwand und Schweiss verbunden und die damit verbundene Betonung, wie schwer das war.

Auswirkung

Vorgesetzte mit einem starken „Streng dich an“-Antreiber jammern oft über Überstunden, durchgearbeitete Wochenenden und erschöpfenden Problemstellungen, die sie gelöst haben. Sie tun sich oft schwer mit dem Gedanken, dass Arbeit auch Spass machen und dabei sogar ein Gefühl von Flow entstehen kann. Meistens kommen sie ins Coaching, weil sie etwas für ihre Work-Life-Balance tun möchten oder sie werden von ihren PartnerInnen geschickt, damit sie endlich etwas gelasser werden, mehr an Leichtigkeit gewinnen und weniger arbeiten.

Beeil dich!

Ursprung

Eltern, die ständig ihre trödelnden Kinder antreiben (da schliesse ich mich nicht aus!) und bei geplanten Terminen regelmässig gereizt und in Hektik aus dem Haus gehen, füttern damit diesen Antreiber. Man erkennt diesen Antreiber oft in der Wortwahl „ich muss schnell..“, „kannst du kurz…“, „wie soll ich das bloss alles schaffen?“ oder am ständig nervösen Klopfen, wippenden Bein und in an der Gangart. Häufig sind Menschen mit einem starken „Beeil dich“-Antreiber mit vielen Aufgaben gleichzeitig beschäftigt und bezeichnen sich als Multitasking- Profis, was sich wiederum negativ auf ihre Konzentrationsfähikgeit und Fehleranfälligkeit auswirkt.

Auswirkung

Vorgesetzte mit einem starken „Beeil dich“-Antreiber fühlen sich immer gehetzt und übertragen ihre Unruhe und Hektik auf ihre Mitarbeitenden. Während sie drei Dinge auf einmal zu erledigen versuchen, reagieren sie oft unwirsch, wenn jemand mit einer Bitte oder Frage dazwischen kommt. Mitarbeitende mit so eine(m/r) Vorgesetzen fühlen sich wenig unterstützt und unter Druck gesetzt, was ihre Performance und Motivaton leiden lässt.

Sei stark!

Ursprung

In Familien, in denen Schwäche nicht toleriert wird und negative Emotionen verneint werden, lernen Kinder, dass sie immer stark sein müssen. Oder die Eltern waren mit anderen Themen sehr belastet, sodass sich das Kind selber helfen musste. Dieser Antreiber ist oft bei Menschen zu finden, die glauben, alles alleine bewältigen zu müssen, sich bloss keine Hilfe zu holen und ihre Ziele im Alleingang hartnäckig verfolgen. Sie laden sich auch dann noch etwas zusätzlich auf, selbst wenn sie fast unter ihrer Last zusammenbrechen, denn sie sind gut trainiert darin, die Last auszuhalten. Grenzen sind dafür da, überschritten zu werden, selbst dann, wenn der Körper längst beunruhigende Signale sendet.

Auswirkung

Ich behaupte mal, dass dieser Antreiber im höheren Management sehr weit verbreitet ist. Im Coaching kommen sie selten aus Eigenantrieb, denn Hilfe zu holen, wäre ja ein Eingeständnis, schwach zu sein. Sie begegnen mir dennoch regelmässig, wenn sie von Unternehmen aufgrund der Erschöpfungszeichen ins Coaching geschickt werden, wenn sie nach einem gesundheitlichen Ausfall wieder zurück ins Arbeitsleben kehren oder wenn es durch den Arbeitgeber zu einer Trennung gekommen ist. Für Mitarbeitende haben solche Führungskräfte oft katastrophale Auswirkungen, weil sie weder deren Arbeitslast noch deren Abgrenzungsversuche anerkennen. Für ihre Empathie sind sie meistens auch nicht berühmt geworden, da schon die Verbindung zur eigenen Gefühlswelt abgebrochen ist. Oft wird erst nach einem kompletten Zusammenbruch wie Burnout, Schlaganfall oder Herzinfarkt der Weg für eine Einsicht und Veränderung frei.

Persönliches Beispiel

Als ich 14 Jahre alt war (so alt ist meine Tochter heute) ist Michael am heutigen 11. Juli an Leukämie gestorben. Michael war mein 15-jähriger Bruder. Meine Eltern waren in ihrem unendlichen Schmerz nicht in der Lage, mich aufzufangen oder gar zu trösten. Im Freundeskreis waren andere, jugendliche Themen präsent, für diese Art von Problemen erntete ich überfordertes Schweigen oder Rückzug. Es gab also nur einen Ausweg für mich: «Sei stark!». Diese Antwort und „Lebenswahrheit“ hat mir auch später immer wieder geholfen, alleine klar zu kommen und auf Hilfe zu verzichten. Das ging so weit, dass ich es sogar ablehnte, wohlmeinende Angebote wie das Blumengiessen während der Ferien anzunehmen oder unwirsch reagierte, wenn mir jemand die Tür aufgehalten hat. Erst in der Verarbeitung im späteren Erwachsenenleben wurde mir bewusst, dass ich mir mit dieser Strategie dauerhaft sehr viel Stress einhandle, denn es gibt durchaus Situationen, in denen externe Unterstützung eine grosse Entlastung darstellt. Inzwischen nehme ich Hilfe nicht nur sehr gerne an, ich frage sogar (mit ein wenig Selbstüberwindung) aktiv danach und stelle regelmässig fest, dass sich viele Menschen freuen, wenn sie unterstützen können. Auch habe ich durch diese traurige Erfahrung eine Sensibilität entwickelt, mit der ich Menschen in Krisen begegnen kann.

➡️ Das Beispiel zeigt, dass es keine Schuldfrage ist, woher die Schlussfolgerungen und kindlichen Überlebensstrategien kommen. Es kann aber hilfreich sein, zu verstehen, warum man so tickt wie man tickt.

Wie kann man mit starken Antreibern umgehen?

Im ersten Schritt ist es wichtig, sich seiner Antreiber bewusst zu werden (Hilfsmittel: Antreibertest, an vielen Stellen frei verfügbar). Falls du Antreiber hast, die schon an der Grenze zum roten Bereich sind, ist es ratsam zu lernen, sie zu steuern, anstatt sich von ihnen beherrschen zu lassen (Coping Strategien). Hier sind einige Schritte, die dir dabei helfen können:

  1. Selbstbeobachtung: Achte darauf, wann und wie deine Antreiber aktiviert werden.
  2. Reflexion: Überlege, welche Botschaften und Erfahrungen in deiner Kindheit diese Antreiber geprägt haben könnten.
  3. Neubewertung: Frag dich, ob die Forderungen deiner Antreiber realistisch und hilfreich sind.
  4. Gegengewicht schaffen: Entwickle gesündere innere Dialoge (Erlaubnisse) und Verhaltensweisen, die weniger von den Antreibern bestimmt sind.

Durch diese Schritte kannst du ein ausgeglicheneres und gesünderes Verhalten entwickeln, das weniger von den unbewussten Druckmechanismen deiner Antreiber beeinflusst wird.

➡️ Gut zu wissen: Wie beim Schreibenlernen bilden sich beim Erlernen von Antreibern neuronale Verbindungen, die sich nicht so einfach aufbrechen lassen. Hast du schon mal versucht mit links zu schreiben (oder umgekehrt)? Jahrelange Gewohnheiten sind tief verankert und brauchen viel Geduld, um in eine andere Richtung eingeschliffen zu werden. Dasselbe gilt für deine Gedankenspuren, die sich tief in dein Bewusstsein eingegraben haben.

➡️ So wie du mit deinen Kindern oder dir anvertrauten Kindern sprichst, entwickelt sich auch ihre innere Stimme. Achte auf deine Wortwahl.

➡️ Es wäre so viel einfacher, sich zurückzulehnen und zu sagen: So ist es halt, schuld daran ist… wenn du Selbstverantwortung übernimmst, spielt es keine Rolle mehr, wer an der Ursache beteiligt war.

Willst du mehr über deine Antreiber, Stressoren und Coping Strategien erfahren? Drei Dinge, bei denen ich Dich sofort unterstützen kann (individuell auf Dich zugeschnitten):

  1. Analyse deiner Antreiber
  2. Deine Stressoren entlarven
  3. Coping Strategien entwickeln, für ein gelasseneres Berufs- und Privatleben

Ich stärke Führungskräfte und Fachexpert:innen in ihrem Karriereweg für mehr Erfolg, Wachstum und Erfüllung 🌿✨

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