Letztes Wochenende hatte ich das Vergnügen, ein paar sonnige Tage in Hamburg zu verbringen. Am Kaiserkai, das ist die Brücke zur Elbphilharmonie, sind mir diese Liebesschlösser aufgefallen. Die Tradition der Verliebten, die sich inzwischen weltweit ausgebreitet hat, kommt ursprünglich Italien: Das Schloss, ein Symbol für die Beziehung, wird verriegelt, der Schlüssel ins Wasser geworfen und bleibt – für immer – unerreichbar.
Viele dieser Schlösser hatten neben den Initialen auch Jahreszahlen eingraviert, die mehr als 10 oder 20 Jahre zurückliegen. Wie viele dieser Paare, die damals ihren Wunsch nach unzertrennlicher Liebe besiegelten, haben wohl den Witterungen der Zeit standgehalten und sind heute noch zusammen? Für immer?
Der Anblick der Liebesschlösser hat mich an das Unterschreiben eines Arbeitsvertrages erinnert: Kennst du diesen magischen Moment, wenn die Tinte auf dem Vertrag anfängt zu trocknen und sich ein Gefühl der Verbundenheit einstellt? Du freust dich über die gemeinsame Basis, träumst von Ideen und einer Zukunft, zusammen mit deinem neuen Team, deiner neuen Firma, von der du glaubst, «es ist die Richtige». Für immer?
Genau das führt mich zum nächsten Gedankengang: Genau wie bei einer Liebesbeziehung wird auch eine Arbeitsbeziehung Phasen durchleben, die von dem abweichen, wovon wir beim Unterschreiben ausgegangen sind. Auch werden Stürme, Richtungsänderungen und Situationen dazu beitragen, dass wir uns irgendwann eingestehen müssen: Der Traum fängt an zu bröckeln, die Zeit der gemeinsamen Visionen lässt sich nicht zurück spulen. Dennoch gibt es da etwas, das uns an dem Vergangenen Festhalten lässt.
Was ist es, was uns vom Loslassen abhält? Sicherheit? Angst vor dem Ungewissen?
Sicherheit vor Lebensfreude als evolutionäres Prinzip sicherte deinen Vorfahren das Überleben. Jedoch hindert dich diese Denkweise im Heute daran, neue Wege zu erkunden. Im bekannten Übel zu verweilen ist einfacher und vielleicht auch bequem, denn das ist vertraut und einschätzbar. Das Verharren in der Komfortzone ist eine der grossen Verhinderer deiner Entwicklung. Neues ist ungewiss, denn du hast keine Garantie für ein Zukunftsgelingen. Solange du das Neue nicht kennst, weisst du nicht, ob es wirklich besser sein wird.
Das klingt alles sehr rational. Dabei ist sowohl das Festhalten als auch das Loslassen eine hoch emotionale Angelegenheit. Auch mit den besten Ablenkungsstrategien gährt es im Unterbewusstsein und wirkt sich auf unser Wohlbefinden aus. Vor allem, wenn du beim Besiegeln davon ausgegangen bist, dass es für immer sein wird. Oft sind es die Erlebnisse, Situationen, Träume, überstandene Krisen und Umstände aus der Vergangenheit, an denen wir festhalten. Dass die heutige Realität davon abweicht, wollen wir nicht wahrhaben. Denn dann müsstest du dir eingestehen, dass du dich geirrt haben könntest?
Bleiben oder Gehen? Wie kommst du nun zu einer guten Entscheidung?
Entscheidungshilfe
Es gibt immer gute Gründe zum Festhalten und andere die für’s Loslassen sprechen. Das gilt sowohl für Arbeits- als auch für Liebesbeziehungen.
Starte bei dir selbst:
Werte/Bedürfnisse: Was ist dir wichtig, wofür stehst du, wie stellst du dir ein Zusammensein vor, welche Erwartungen hast du?
Träume/Visionen: Wovon träumst du? Welche Ideen hast du? Was willst du noch bewirken / erleben / erreichen? In den nächsten 1, 5, 10 Jahren?
Steine: Was könnte dir selbst passieren, welche Steine könnten sich dir in den Weg legen und wie gehst du damit um?
Beteiligte: Was zeichnen ideale Menschen und Systeme aus, mit denen du deine Werte leben, deine Träume verwirklichen kannst und die dir auch beistehen, wenn du dabei strauchelst?
Betrachte nun deine Beziehung:
Überlege, welche Werte/Bedürfnisse, Träume/Visionen und Steine diese Person oder diese Organisation hat. Diese Überlegungen funktionieren sowohl für private Beziehungen als auch für geschäftliche, z.B. Vorgesetzte.
Schnittmenge
Jetzt wird es spannend. Wie gut passt ihr (noch) zusammen?
Hier ist es wichtig, den Blick in die Zukunft zu werfen. Gut möglich, dass im Laufe der Jahre Abweichungen entstanden sind. Das ist völlig normal, denn jeder Mensch und jedes System entwickelt sich in seinem individuellen Tempo in seine individuelle Richtung weiter.
Auf diesem Weg kann die Passung verloren gehen. Mit folgenden Fragen findest du eure gemeinsame Schnittmenge:
- Welche Werte und Bedürfnisse verbinden euch?
 - Wie passen eure Erwartungen zueinander?
 - Was verbindet euch sonst noch?
 - Welche gemeinsamen Träume habt ihr?
 - Wie unterstützt ihr euch gegenseitig, falls Steine im Weg liegen?
 - Wie lange stellst du dir den gemeinsamen Weg vor? Für immer? Mit welcher Dosierung?
 - Was sagen dein Bauch und deine Gefühle?
 
Festhalten oder Loslassen?
Kennst du die Grübeleien, die entstehen, wenn es anfängt zu bröckeln? Bleiben oder Gehen? Pro oder Contra? Die Argumente drehen sich im Kreis, besonders gerne in der Nacht…
Festhalten
Finanzielle Einbussen: Das Kündigen eines Arbeitsverhältnisses kann zu finanzieller Unsicherheit führen. Wie lange reichen die Reserven? Ist die neue Beschäftigung womöglich schlechter bezahlt?
Verlust von Sozialkontakten: Beim Beenden eines Arbeitsverhältnisses gehen immer auch Sozialkontakte verloren. Menschen, die einem ans Herz gewachsen sind, mit denen man gut zusammengearbeitet hat und sogar zu Freunden geworden sind. Aus den Augen aus dem Sinn?
Ungewissheit: Oft lässt es sich nicht ganz einschätzen, welche beruflichen Möglichkeiten sich bieten und wie lange es dauern wird, bis man wieder Fuss gefasst hat. Was, wenn es nicht klappt?
Wegfallen von Benefits: Krankenkasse, Unfallversicherung, Pensionskasse, Status und andere Systemvorteile gehen erst einmal verloren und können zur grossen Belastung werden. Sozialer Abstieg?
Emotionale Stabilität: Manchmal kommen mehrere «Baustellen» auf einmal, die für Unruhe im Leben sorgen. Festhalten kann für vorübergehende Stabilität in einem Lebensbereich sorgen, bis die anderen Themen geklärt sind. Wieviele Veränderungen sind gleichzeitig bewältigbar? Welches Timing wäre gut?
Loslassen
Passung: Wenn du dir erst einmal über deine eigenen Erwartungen, Bedürfnisse, Werte, Träume und Visionen bewusst geworden bist, ist es einfacher, das passende Gegenstück zu finden.
Wachstum: Sowohl das Loslassen als auch der Neustart – unabhängig davon, ob dieser gelingt – beinhalten deutlich grössere Entwicklungsmöglichkeiten als das Festhalten.
Zufriedenheit: Eine unerfüllte Arbeitsbeziehung loszulassen wird sich positiv auf dein Wohlbefinden auswirken. Sehr hilfreich dabei ist es, eine Akzeptanz dafür zu finden, dass die Vergangenheit unwiederbringlich ist. Erst wenn die Schmerzen der Trauer nachlassen, wirst du in der Lage sein, einen liebevollen Blick auf die gemeinsamen vergangenen Zeiten zu werfen.
Fazit
Egal, wofür du dich entscheidest: es gibt immer eine Zukunft in irgendeiner Gemeinschaft. Du trägst mindestens einen 50%-Anteil am Gelingen.
Falls nun alles für’s Bleiben spricht: Wie findest du Akzeptanz mit den veränderten Gegebenheiten? Was trägst du selbst für ein gelingendes Zusammensein bei? Welche Kompromisse gehst du ein? Wo grenzt du dich ab? Was kannst du selber gestalten, um dich wohler zu fühlen (siehe auch mein Beitrag zum Thema Jobcrafting)? Denke dran: Es muss kein Lebensentscheid sein. Wenn du unsicher bist, empfehle ich, in regelmässigen Abständen eine Art Boxenstopp machen und die Passung zu verifizieren. Wege können auseinander gehen und wieder zusammen kommen.
Falls du hingegegen genügend Argumente gesammelt hast, die für eine Veränderung sprechen: Wie lange willst du mit der Umsetzung des ersten Schrittes warten?
➡️ Keine Entscheidung ist auch eine Entscheidung.
Entscheide dich weiterhin für deine aktuelle (Arbeits-)Beziehung oder gehe den ersten Schritt.
Bei geH-Halt GmbH unterstützen wir dich dabei, gute Entscheidungen zu treffen. Wir glauben daran, dass es nie zu spät ist für einen beruflichen Wendepunkt und Wachstum.
Lass uns gemeinsam deinen Weg vorbereiten und deine berufliche Erfüllung neu definieren. 💪✨
Möchtest du noch mehr Inspirationen zum Thema Loslassen, dann schau auf meine Loslassliste.
								
															
				




